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Mehr als jede vierte Unternehmensgründung in Nordrhein-Westfalen hat ausländische Wurzeln. Das zeigt eine gemeinsame Studie vom Bundesverband Deutsche Startups und der Friedrich-Naumann-Stiftung. Im bundesweiten Vergleich liegt NRW sogar an der Spitze. Selbstständige mit Zuwanderungsgeschichte sind damit ein bedeutender Impulsgeber für Innovation und Unternehmertum. Vorbilder wie das BioNTech-Gründerpaar Uğur Şahin und Özlem Türeci inspirieren offenbar viele. Die Technologiebranche profitiert ebenfalls von dieser Entwicklung. Auf dem Weg zum eigenen Unternehmen liegen allerdings viele Stolpersteine. Dennoch bleibt die Gründungsquote bei Menschen mit Migrationshintergrund weiterhin hoch – trotz komplizierter Behördengänge, Schwierigkeiten bei der Finanzierung und fehlender Netzwerke.
Laut KfW-Gründungsmonitor gibt es zwei wesentliche Ursachen für die Gründungsaktivität von Menschen mit Einwanderungsgeschichte: Zum einen ist der Wunsch nach beruflicher Selbstständigkeit unter ihnen stärker ausgeprägt als in der Gesamtbevölkerung. Zum anderen haben sie häufig schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ein eigenes Business öffnet ihnen hingegen Möglichkeiten, sich zu verwirklichen. Dabei schaffen sie gleichzeitig neue Arbeitsplätze und stärken somit die Konjunktur. „Menschen mit Migrationsgeschichte haben in den vergangenen Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg unserer Region geleistet“, betont auch Dr. Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer bei IHK Bonn/Rhein-Sieg. Gründerinnen und Gründer mit ausländischen Wurzeln sind laut des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) weder schlechter noch besser vorbereitet als deutschstämmige Newcomer.
Laut Statistischem Bundesamt hat eine Person einen Migrationshintergrund, „wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.“ Mit dieser Definition kann Professor Dr. Goodarz Mahbobi überhaupt nichts anfangen. Er bezeichnet sich vielmehr als „Bürger der Welt“.
Professor Dr. Goodarz Mahbobi, CEO und Gründer der axxessio GmbHIm Iran geboren, hat er in Wien und Kalifornien studiert – und Karriere in Bonn gemacht. In den USA erhielt der junge Absolvent 1999 das Angebot, für zwei Monate ins Rheinland zu gehen, um hier einen amerikanischen Unternehmer für ein Großprojekt zu beraten. „Ich hatte das fachliche Know-how und ich sprach aufgrund meines Studiums in Wien Deutsch“, erinnert er sich zurück. Perfekt also. Als Arbeitszeitraum waren damals November und Dezember geplant. „Die Zeit war überschaubar und ich hatte die Möglichkeit, Weihnachtsmärkte zu besuchen“, lacht er. Aus den zwei Monaten wurden allerdings Jahre: In Bonn lernte er seine Frau kennen, gründete eine Firma und bekam zwei Kinder.
Heute setzt die axxessio Gruppe, ein internationales Unternehmen mit 150 Mitarbeitenden, seit mehr als 20 Jahren IT-Projekte für verschiedene Branchen um. Zu den Kunden zählen namhafte Unternehmen aus Telekommunikation, Produktion, Logistik sowie der Finanzbranche. Die Projekte reichen von der Beratung zur digitalen Transformation bis zur Markteinführung von Produkten.
„Digitale Transformation startet bei der Website. Mein Anspruch war immer mit konkreten Projekten Schritt für Schritt die digitale Transformation voranzubringen. Ich bin erst zufrieden, wenn meine Kunden es sind." Mahbobi ist zudem Honorarprofessor für Ethik in der Künstlichen Intelligenz und einer der Initiatoren des Cybersecurity Clusters Bonn, dem mehr als 100 Unternehmen und Organisationen angehören.
Gemeinsam mit seiner Frau hatte er bewusst entschieden in Deutschland zu bleiben und sein Unternehmen in Bonn zu verankern. Zwar gab es auch interessante Angebote aus der Schweiz, Österreich, dem Iran und den USA. „Aber unsere Wahl fiel auf Deutschland, weil Deutschland seine Geschichte sehr gut aufgearbeitet hat und hier Werte wie Respekt, Internationalität sowie Diversität gelebt werden. In dieser Umgebung sollten unsere Kinder aufwachsen.“
Mittlerweile hat sich sein Blick allerdings verändert. Vor allem die zunehmende Unterstützung von rechten und reaktionären Gruppierungen bereitet ihm wachsende Sorge. „Ich möchte nicht, dass Menschen nach ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer Orientierung klassifiziert werden“, sagt er.
Fachlich war es für ihn nicht schwer, sein Unternehmen erfolgreich am Markt zu platzieren. Anders sah es jedoch in Hinblick auf die Bürokratie aus. „Ich kenne kein Land, in dem ich Unternehmen gegründet habe, mit so viel Bürokratie und so wenig Digitalisierung wie Deutschland“, beklagt er. Beides würden die Bedingungen für potenzielle Gründungen enorm erschweren. „Seit Jahren hören wir von der Politik, dass die Bürokratie abgebaut und Digitalisierung vorangetrieben werden muss. Getan hat sich bis heute allerdings sehr wenig“, kritisiert er. „Also anstatt darüber nachdenken, wer Migrationshintergrund hat, sollte man darüber sprechen, wie wir Unternehmen in Deutschland halten.“
Investiere ich Geld oder Zeit? Vor allem kleine sowie mittelständische Unternehmen müssen sich dieser Frage stellen, wenn sie ihren Social Media-Auftritt oder ihre Marketingstrategien planen. Oft entscheiden sie sich dafür, eine Expertin mit ins Boot zu nehmen. Eine wie Natalie Wowk. Die Journalistin und Marketingmanagerin mit langer Berufserfahrung hat sich im Oktober 2024 in Bonn mit einem eigenen Marketingunternehmen selbstständig gemacht.
Natalie Wowk, Wowk MarketingDabei war diese Branche nicht immer ihr Metier. In der Ukraine geboren, kam Natalie Wowk vor zehn Jahren nach Deutschland. Als Journalistin bei der Deutschen Welle hat sie anfangs Artikel und Berichte verfasst sowie Interviews geführt. Nach und nach betreute sie zusätzlich den Social-Media-Auftritt der Welle. „Dabei habe ich offenbar Blut geleckt“, lacht die 34-Jährige. „Ich habe plötzlich gemerkt, dass das mein Ding ist.“
Dann nahm ihre Karriere richtig Fahrt auf. Schnell übernahm Wowk die Marketingleitung eines Kölner Unternehmens. Damals wuchs in ihr allerdings der Wunsch, nicht nur für eine Firma, sondern für viele zu arbeiten. „Gerade während der Pandemie habe ich gesehen, dass vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen enormen Nachholbedarf in Sachen Online-Präsentation haben, um einen Mehrwert zu generieren“, erzählt sie. Dennoch ließ sie sich Zeit, um den nächsten Schritt zu wagen. Schließlich hatte die gebürtige Ukrainerin mittlerweile drei kleine Kinder. „Allein das ist schon ein Fulltime-Job“, schmunzelt sie.
Nachdem sie im September 2024 den Gründerinnentag des BeraterinnenNetzwerks Bonn/Rhein-Sieg besucht hatte, bei dem auch die IHK als Vertreterin aktiv ist, stand ihr Entschluss nach langer Überlegung dann endgültig fest. „Im Gegensatz zu Männern wiegen Frauen die Vor- und Nachteile einer Unternehmensgründung viel stärker ab“, ist sie überzeugt.
Wenige Tage später meldete sie ihr eigenes Gewerbe an. „Auch wenn ich anfangs keine Ahnung hatte, wie ich die vielen bürokratischen Hürden überwinden soll“, berichtet sie rückblickend. Die Themen Versicherungen und Steuern waren für sie ein Buch mit sieben Siegeln. „Aber dank der Beratung durch die IHK bin ich jetzt gut vorbereitet“, so die 34-Jährige. Dadurch habe sie Vertrauen sowie Sicherheit bekommen.
Auch wenn sie erst seit kurzer Zeit selbstständig ist, mit dem Start ihres Marketings-Unternehmens ist sie zufrieden. „Natürlich war es nicht einfach, und ich wünsche mir noch weitere Kunden“, gibt sie zu. Für sie entwickelt sie Strategien, in denen sie ihr journalistisches Know-how mit individuell angepassten Marketinglösungen vereint. Dabei seien ihre Erfahrungen und Ausbildung in der Ukraine meist von Vorteil. „Dort hat man schon vor ein paar Jahren Marketingstrategien entwickelt, die allmählich auch auf dem hiesigen Markt angewendet werden“, erzählt sie.
Klimawandel, steigende Temperaturen und immer mehr sonnenreiche Tage haben längst Auswirkungen auf die Gesundheit. Seit Jahren steigt nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft die Zahl der Hautkrebs-Patienten. Daher spielt medizinische Früherkennung eine immer größere Rolle. Mit „MoleVision“ hat Professor Dr. Mahdi Bohlouli mit seinem Bonner Unternehmen Petanux ein KI-basiertes Hautkrebserkennungssystem entwickelt, das Tumorzellen bereits in einem frühen Stadion erkennt. Dafür werden mittels hoch entwickelter KI-Algorithmen Hautbilder analysiert und potenziell krebsartige Läsionen erkannt. Arzt und Patient erhalten damit frühzeitig eine präzise Diagnose, wodurch Behandlungsergebnisse erheblich verbessert werden.
Professor Dr. Mahdi Bohlouli, CEO Petanux GmbHMoleVision, ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Projekt unter der Projektträgerschaft des VDI-Technologiezentrums, ist allerdings nur eine von vielen individuell entwickelten Lösungen, die Mahdi Bohlouli präsentiert. „Petanux bietet digitale Lösungen für alle Sektoren“, beschreibt er das Portfolio. „Wir bieten KI-basierte Lösungen für viele Wirtschaftszweige – von der Landwirtschaft über Medizin bis hin zum Rechtswesen. Einer unserer Schwerpunkte ist zudem die Entwicklung von nachhaltiger KI.“
Gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden hat er ebenfalls Projekte zur Förderung der Nachhaltigkeit zusammen mit lokalen Einrichtungen wie der IHK und dem Deutschen Museum Bonn absolviert. Dabei war auch für Bohlouli der Start in die Selbstständigkeit nicht ganz einfach. „Die Verzögerung bei Prozessen bremst ehrgeizige Unternehmen aus“, beklagt er. „Es dauerte alles viel länger als ich erwartet hatte.“
Geboren wurde er im Iran, wo er auch studierte. Als seine Frau, eine Hautärztin, nach Bonn ging, folgte er. Zunächst arbeitete er an der Uni in Siegen und promovierte, später ging er als Gruppenleiter zur Uni nach Koblenz. Zwar hatte er Petanux schon 2017 als „Ein-Mann-Betrieb“ gegründet, dennoch arbeitete er immer noch in Koblenz.
Dann kam die Pandemie – und damit eine große Chance für ihn. „Für mich war Corona ein Game-Changer“, sagt er. „Ich hatte gezwungenermaßen im Homeoffice die Zeit und die Muße, mich um mein eigenes Business zu kümmern und intensiv in die Projekte einzutauchen.“ Er bewarb sich um Förderungen und entwickelte eigene KI-basierte Lösungen. Ursprünglich auf Forschung und Innovation ausgerichtet, weitete Petanux die Expertise schnell auf eine Vielzahl von Branchen aus.
„Allerdings habe ich die Bürokratie unterschätzt“, sagt er rückblickend. „Alles könnte viel leichter, schneller und effektiver erledigt werden, wenn außerdem die Digitalisierung vorangetrieben würde“, beklagt der Bonner Unternehmer. Seine Entscheidung zur Selbstständigkeit hat Mahdi Bohlouli dennoch nie bereut. „Es macht Spaß, sein eigener Chef zu sein und Prozesse anzupassen und Lösungen zu optimieren“, erklärt er. Für das Unternehmenskonzept und Engagement wurde seine Firma im vergangenen Jahr von der IHK Bonn/Rhein-Sieg mit dem „Ludwig“ ausgezeichnet.
Andrea Belén Gallegos Márquez hatte schon als Kind zwei große Träume. „Ich wollte im Ausland studieren, und ich wollte mich irgendwann selbstständig machen“, erzählt die gebürtige Ecuadorianerin. Mit dem Schulabschluss in der Tasche ging es von Südamerika nach Europa. Ihr erstes Ziel war Deutschland, weil hier ein Onkel lebte.
Was ursprünglich nur als Zwischenstopp geplant war, entwickelte sich für die damals 18-Jährige zur neuen Heimat. Belén Gallegos fühlte sich im Rheinland wohl, studierte Betriebswirtschaft an der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg, arbeitete nebenbei als Werksstudentin sowie bei verschiedenen Unternehmen im Bereich E-Commerce. „Aber meinen großen Traum habe ich nie aus den Augen verloren“, lacht die 35-Jährige heute.
Im vergangenen Jahr war es so weit. Mit „beloove“ gründete sie ihr eigenes Label und bietet online moderne und stylische Alltagsgegenstände an. „Dinge, die das Leben bunter machen“, erklärt sie. Beispielsweise Trinkflaschen mit einem einzigartigen Bambusdeckel, für den sie ein Designpatent besitzt, sowie Taschen aus Cord.
Nachhaltigkeit sowie Upcycling spielen für sie eine große Rolle. Als das Etikett an ihren Taschen falsch platziert war, hat sie die komplette Produktion nicht etwa vernichten lassen, sondern aus den vorhandenen Stücken neue Taschenmodelle entworfen und gefertigt.
Nach einem Jahr als „Ein-Frau-Betrieb“ zieht sie jetzt eine erste Bilanz. „Einfach war der Schritt nicht. Aber ich habe ihn nie bereut“, sagt sie. Die vielen Entscheidungen rund und die Finanzierung hatten sie zunächst ausgebremst. „Aber ich hatte Partner an meiner Seite, auf die ich mich verlassen konnte.“ Beispielsweise Michelle Urbahn von der IHK Bonn/Rhein-Sieg. „Durch sie habe ich Zugang zu Netzwerken bekommen und sie hat mir geholfen, das NRW.Gründungsstipendium zu beantragen“, blickt Gallegos zurück.
Jetzt plant die 35-Jährige bereits die nächsten Schritte für 2025. „Ich werde weiter daran arbeiten, um ein florierendes Unternehmen aufzubauen. In diesem Jahr werde ich mich zudem intensiv um meine Altersabsicherung kümmern.“ Ihr Tipp für den Start in die Selbstständigkeit: „Man muss fokussiert sowie flexibel bleiben und darf sein Ziel nie aus den Augen verlieren“. Natürlich habe eine Festanstellung in einem Unternehmen auch Vorteile. „Ich habe im vergangenen Jahr keinen Urlaub gemacht und verfüge über kein festes Einkommen. Aber ich bin mein eigener Chef. So habe ich mir mein Leben vorgestellt.“
Von Gabriele Immenkeppel, freie Journalistin, Bonn