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Die Sachverständige Stefanie Schäfer prüft eine DacheindeckungDie IHK Bonn/Rhein-Sieg bestellt und vereidigt Sachverständige. Für über 280 verschiedene Gebiete stehen die Expertinnen und Experten zur Verfügung – sie bewerten etwa Brand-, Sturm- und Leitungswasserschäden oder Grundstücke. Dabei zeichnen sie sich durch besondere Sachkunde, Objektivität und Vertrauenswürdigkeit aus. Davon profitieren Privatpersonen ebenso wie Unternehmen.
Auch das gehört zum Geschäftsalltag vieler Unternehmen: Sie wechseln den Standort, bauen auf einem neuen Grundstück ein Bürohaus oder eine Produktionsstätte. Und verkaufen die alte Liegenschaft.
Wie beispielsweise die AIRFLOW Lufttechnik GmbH, die 2021 ihren neuen Firmensitz im Rheinbacher Industrie- und Gewerbegebiet Wolbersacker bezog. Am alten Standort, ebenfalls in Rheinbach, wurde ein 2.000 Quadratmeter großes, mit Bürogebäude und Lagerhalle bebautes Grundstück frei.
Werner Ruß, Geschäftsführer der AIRFLOW LufttechnikNun ist das Unternehmen eine 100-Prozent-Tochter eines internationalen Konzerns mit Sitz in Großbritannien. „Deshalb haben wir vor dem Verkauf den Wert des bebauten Grundstücks von einer unabhängigen Gutachterin ermitteln lassen“, erklärt Werner Ruß, Geschäftsführer der AIRFLOW Lufttechnik. „Wir wollten auf Nummer sicher gehen, denn der Verkaufspreis musste der Prüfung innerhalb des Konzerns standhalten.“
Damit kam Stephanie Schäfer ins Spiel. Die Diplom-Betriebswirtin (FH) und Diplom-Sachverständige (DIA) ist von der IHK Bonn/Rhein-Sieg öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken. „Die öffentliche Bestellung war für uns ein Gütesiegel, das auch im Ausland Vertrauen einflößt,“ berichtet Ruß.
Wenn Schäfer angefragt wird, klärt sie zunächst, was genau zu welchem Zweck und welchem Stichtag bewertet werden soll. Nach Beauftragung erstellt sie eine Liste der benötigten Unterlagen. Das reicht von Mietverträgen bis zu genauen Informationen über bisher erfolgte Sanierungen.
Die Diplom-Betriebswirtin (FH) und Diplom-Sachverständige (DIA) Stefanie Schäfer bewertet bebaute und unbebaute GrundstückeAuch Besonderheiten des Grundstücks und Gebäudes sind wichtig, aktuelle oder frühere Schäden sowie möglicher Sanierungsbedarf. „Häufig sind den Eigentümern die für die Bewertung entscheidenden Aspekte gar nicht bewusst“, weiß Schäfer aus ihrer langjährigen Erfahrung. So könnten etwa Gebäudeteile illegal errichtet oder bestimmte Nutzungen nicht genehmigt sein. Das alles muss sie wissen. Auch in die Bauakte nimmt sie Einsicht.
Danach folgt die Königsdisziplin: der Ortstermin. Für die Begehung der Grundstücke und Gebäude – im Fachjargon „körperliche Aufnahme“ genannt – nimmt sich die Sachverständige viel Zeit. „Und dann“, sagt sie, „wird gerechnet.“
Immer wieder wird Schäfer von Gerichten um Gutachten gebeten, in den meisten Fällen beauftragen sie jedoch Privatpersonen oder Unternehmen, wie etwa die AIRFLOW Lufttechnik. Der Betrieb konnte seine Liegenschaft in Rheinbach verkaufen, ein anderes Unternehmen ist nun dort aktiv. „Das Gutachten war prima, unser Konzern war mit der Bewertung einverstanden“, resümiert Ruß.
Nicht immer läuft es so glatt. Bei manchen Aufträgen wartet Schäfer monatelang auf Unterlagen von Behörden. „Das ist inzwischen ein echtes Ärgernis, die Firmen kommen dann nicht weiter, weil wir die Bewertung nicht abschließen können“, berichtet die Immobilienexpertin.
Ihr Tipp deshalb: „Unternehmen mit Grundstücks- und Immobilieneigentum sollten kontinuierlich die Unterlagen pflegen und bei Verkaufsabsicht frühzeitig Dokumente von dritter Seite anfordern, das spart viel Zeit und Ärger.“ Dies gilt insbesondere für alle Unterlagen rund um die Baugenehmigung sowie sämtliche Verträge, die man im Zusammenhang mit der Liegenschaft geschlossen hat – inklusive allen Nachträgen.
Zu den Schäden, mit denen Privatpersonen ebenso wie Unternehmen immer wieder konfrontiert sind, zählen Brand-, Sturm- und Leitungswasserschäden. Einer, der sich damit auskennt, ist Thomas Schindler, Inhaber des Ingenieur- und Sachverständigenbüros Schindler in Bonn-Ippendorf. Schindler ist von der IHK Bonn/Rhein-Sieg öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Brand-, Sturm- und Leitungswasserschäden. Beauftragt wird er von Gerichten, Privatpersonen, Versicherungen, Behörden, aber auch Unternehmen.
Genau wie seine Rheinbacher Kollegin Stephanie Schäfer startet auch Schindler stets mit einer intensiven Sichtung aller verfügbaren Unterlagen. Wenn er wegen Schäden unterwegs ist, vereinbart er dann rasch einen Termin mit den betroffenen Personen und nimmt den Schaden in Augenschein.
Falls nötig, leitet er Notmaßnahmen ein. Dann gibt er, beispielsweise gegenüber der Versicherung, eine erste Bewertung samt Kostenschätzung ab. Je nach Schaden muss er zuvor weitere Fachleute hinzuziehen, etwa Chemiker, Statikerinnen oder Vermessungsbüros.
Seit 28 Jahren arbeitet Schindler als Sachverständiger. In dieser langen Zeit seien Art und Zahl der Schäden mehr oder weniger gleichgeblieben – vom Sonderfaktor Flutkatastrophe im Sommer 2021 abgesehen. Was aber zugenommen hat: „Es sind immer mehr Normen zu beachten, wenn es um die Beseitigung von Schäden geht“, sagt Schindler, „deshalb sind auch die Kosten für die Schadenbeseitigung stark gestiegen.“
Kraftfahrzeugschäden und -bewertung. Bewertung von Fitness- und Freizeitanlagen. Schienenfahrzeuge und Maschinentechnik der Eisenbahn. Dies sind drei der über 280 verschiedenen Bereiche, für die öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige zur Verfügung stehen. Für die Recherche nach geeigneten Fachleuten bietet sich die von den IHKs gemeinsam unterhaltende bundesweite Datenbank an, in der über 8.000 Sachverständige registriert sind. Die Wirtschaftskammern sind neben anderen Institutionen für die öffentliche Bestellung von Sachverständigen zuständig.
Im IHK-Bezirk Bonn/Rhein-Sieg sind zurzeit rund 100 von der IHK öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige aktiv. Sie ermitteln Schadensursachen, stellen Umfang und Höhe von Schäden fest und bewerten beispielsweise Maschinen, Grundstücke, Kraftfahrzeuge und Hausrat. Öffentlich bestellte Sachverständige sind zu unparteiischer und unabhängiger Gutachtenerstattung verpflichtet. So können sich Dritte, die ein Gutachten von ihnen erhalten, auf die Ergebnisse verlassen
Daher werden sie auch sehr oft als Gerichtsgutachter beauftragt. „Ganz wichtig in diesem Zusammenhang“, betont Dr. Christina Schenk, Bereichsleiterin Recht und Steuern der IHK Bonn/Rhein-Sieg: „Die Gutachten dienen nicht nur zur Klärung von Rechtsstreitigkeiten vor Gericht, sondern können auch dazu beitragen, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.“ Zudem können die Stellungnahmen der Fachleute auch die Position der auftraggebenden Person stärken.
Deshalb setzen nicht nur Privatleute, sondern auch Unternehmen in bestimmten Fällen auf das qualifizierte Urteil der unabhängigen Fachleute.
Zum Beispiel auf das Urteil von Jan König. Er ist Steuerberater, Certified Valuation Analyst, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Unternehmensbewertung und Partner bei der Wirtschaftskanzlei „Flick Gocke Schaumburg“ in Bonn. Das Kompetenzfeld Unternehmensbewertung spielt dort eine wichtige Rolle, das Team rund um König und einen zweiten Partner besteht aus rund 15 Mitarbeitenden.
Zu den Mandanten zählen unter anderem Konzerne sowie Familien- und mittelständische Unternehmen. Als öffentlich bestellter Sachverständiger wird König auch im Auftrag von Gerichten tätig. Häufig geht es um Scheidungen, bei denen das bestehende Unternehmensvermögen nicht in einem Ehevertrag geregelt wurde.
Jan König - Sachverständiger, Steuerberater und "Certified Valuation Analyst"Ebenso wie Stephanie Schäfer und Thomas Schindler beginnt auch Jan König stets mit der Sichtung von Dokumenten. Er benötigt dafür alle finanziellen Unterlagen, zum Beispiel die Jahresabschlüsse des zu bewertenden Unternehmens. Im Fokus stehen die Fragen: Wie verdient die Firma ihr Geld? Wie sieht das Geschäftsmodell aus? Was sind die Werttreiber des Unternehmens?
„Nachdem ich mir einen Überblick verschafft habe, frage ich nach“, erzählt König. Zudem vergleicht er das Unternehmen mit relevanten Wettbewerbern und erstellt eine Prognose über die künftig zu erwartenden Gewinne. „Halbwegs verlässlich ist das in der Regel für drei bis fünf Jahre“, erklärt der Fachmann.
Personal, Maschinen, Marke, Kundenstamm – das alles fließt ebenfalls in die Bewertung ein. „Diese Faktoren stellen aber keinen eigenen Wert im Sinne der Unternehmensbewertung dar“, sagt König, „sondern sie werden unter dem Blickwinkel betrachtet, wie sie sich auf die künftigen Erträge auswirken.“ Wie viel Geld sich in den kommenden Jahren erwirtschaften lässt – das ist die Maßgabe für den Unternehmenswert und damit für den Streitgegenstand, zum Beispiel bei einer Scheidung, oder für die Preisverhandlungen bei einem Verkauf.
Da der Unternehmenswert grundsätzlich für einen fixen Zeitpunkt in der Vergangenheit festgelegt werden muss, wird es oft kompliziert. „Wenn die Parteien vor Gericht noch um die Höhe des Zugewinns streiten, kann die Scheidung durchaus schon mehrere Jahre zurückliegen“, erläutert König, „und damit auch der Bewertungszeitpunkt.“
Dies ist deshalb problematisch, weil der Sachverständige nicht berücksichtigen darf, was seit diesem Zeitpunkt tatsächlich geschehen ist. Denn die Prognose über den Geschäftsverlauf kann vom tatsächlichen Geschäftsverlauf abweichen, wenn beispielsweise kurzfristig besondere Umstände eingetreten sind, etwa durch plötzliche Wirtschaftskrisen oder Unwetterschäden, die zur Zeit der Begutachtung noch nicht absehbar waren.
„Eine Herausforderung ist es auch, das künftige Geschäft zu kalkulieren, wenn ein Unternehmen nur wenige Großkunden bedient“, sagt König. „Fällt einer aus, hat das bereits erhebliche Auswirkungen auf den Ertrag, das muss man also einpreisen.“
Königs Rat an Unternehmerinnen und Unternehmer lautet: „Schließen Sie einen Ehevertrag ab und regeln Sie darin klar, wie im Fall der Fälle mit dem Unternehmen verfahren werden soll!“ Gibt es keinen Ehevertrag, sollten beide Parteien zumindest frühzeitig eine eigene gründliche Bewertung vorlegen – eventuell auch mithilfe eines Sachverständigen. „Wenn diese Bewertungen fundiert und nachvollziehbar sind, können sie dem Gerichtsgutachter als wichtige Informationsgrundlage für die wertrelevanten Bewertungsparameter dienen“, weiß König.
Der Sachverständige wird immer wieder für Gerichte als Gutachter tätig, auch wenn die Honorare nicht so hoch ausfallen wie bei einer privat beauftragten Analyse. „Trotzdem ist für unsere Kanzlei Teil des Selbstverständnisses, dass sich einzelne Mitarbeiter als öffentlich bestellte Sachverständige engagieren“, betont König. „Wir sind uns einig, wie wichtig es ist, unser Können und unsere Erfahrung einzubringen. Denn es geht häufig um die Existenz der betroffenen Parteien.“
Lothar Schmitz, freier Journalist, Bonn