Klimaschutzvorgaben dürfen Wirtschaftsstandort nicht gefährden

IHK-Umfrage: 15 Prozent der Unternehmen denken über Verlagerung nach

Ein klimaneutraler Betrieb bis 2045 ist realistisch, das sagt die Hälfte der Unternehmen, die sich an einer Nachhaltigkeits-Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg beteiligt haben. Die Umfrage zeigt zudem, dass die steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen viele Unternehmen in der Region vor große Herausforderungen stellen. So geben knapp 80 Prozent der befragten Unternehmen an, dass die Einhaltung von Klimaschutzregulierungen zu zusätzlichen Kosten und Herausforderungen führt. Ein Fünftel der Unternehmen sieht sich durch die Einführung neuer Regelungen sogar in ihrer Existenz bedroht.

Spannungsfeld zwischen Ökologie, Regulatorik, Ökonomie

„Wir nehmen ein Spannungsfeld wahr, das sich in der derzeitigen wirtschaftlichen Lage immer stärker abzeichnet: Nicht alles, was auf den ersten Blick dem Klima hilft, ist aus betrieblicher Perspektive tragfähig, zudem bürdet die Regulatorik den Unternehmen zu viel auf“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Hille. „Die Wirtschaft steht grundsätzlich zu der Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit, das zeigt auch unsere Umfrage. Die Politik darf die Betriebe aber nicht überfordern und den Wirtschaftsstandort gefährden. Mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen, die Konzernen zuliefern, wird etwa unterschätzt, welche Ressourcen inzwischen durch Berichtspflichten gebunden werden.“

Industrie ist besonders betroffen

Laut Umfrage suchen 83 Prozent der Betriebe unabhängig von gesetzlichen Vorgaben nach Möglichkeiten, umweltfreundlicher zu agieren. Mit Blick auf die Standortbedingungen in der Region schließt die überwiegende Mehrheit der Unternehmen eine Verlagerung aus (77 Prozent). In der Industrie erwägen jedoch mehr als 40 Prozent einen solchen Schritt.

„Das entspricht vielen Rückmeldungen zu der angespannten Lage, die wir aus der Branche erhalten. Energiekosten, Bürokratie, Planungssicherheit – im internationalen Vergleich hat der Industriestandort Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Es muss klar sein: Wenn Wertschöpfung in andere Länder mit weit weniger ambitionierten Klimazielen abwandert, hilft das weder der Umwelt noch unserer Region“, sagt Prof. Dr. Stephan Wimmers, Geschäftsführer für Standortpolitik der IHK Bonn/Rhein-Sieg. „Wir müssen auf allen politischen Ebenen daran arbeiten, die Standortbedingungen wieder zu verbessern. Dafür ist es wichtig, europäische Vorgaben praxisgerecht umzusetzen und nicht mit deutschen Sonderregeln zu versuchen, sie noch zu übertreffen. Auch technologieoffene Preisanreize wie beim Zertifikatehandel sind bessere Instrumente als umfassende Berichtspflichten.“

An der Umfrage haben sich im Herbst 2024 86 IHK-Mitgliedsunternehmen beteiligt.