Gemäß § 56 IfSG haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine Entschädigung für Verdienstausfälle, die ihnen aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne oder eines Tätigkeitsverbots entstehen. Der Arbeitgeber hat diese Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen und kann anschließend eine Erstattung beantragen (§ 56 Abs. 5 IfSG).
Im Zuge der behördlich angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen während der Pandemie wurden zahlreiche Erstattungsanträge gestellt, über die teilweise noch nicht entschieden wurde. Die in NRW zuständigen Landschaftsverbände hatten Berichten zu Folge die Bearbeitung der Anträge Ende Oktober 2023 ausgesetzt, da sich zu diesem Zeitpunkt eine Rechtsprechung abzeichnete, die der bisherigen Bewilligungspraxis zuwiderlief.
Tatsächlich führt nun die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster (Urteile vom 10.02.2023 - 18 A 563/22 und 18 A 1460/22; Pressemitteilung vom 10.03.2023) sowie des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteile vom 20.03.2024, Az. 5 AZR 234/23 und 5 AZR 235/23, Pressemitteilung vom 20.03.2024) zu einer Änderung der Bewilligungspraxis bei den noch nicht entschiedenen Anträgen.
- Das OVG entschied in zwei Musterverfahren, dass der Erstattungsanspruch nach § 56 IfSG subsidiär ist. Das bedeutet, eine Erstattung der vom Arbeitgeber gezahlten Verdienstausfallentschädigungen kommt nur dann in Betracht, wenn die Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Arbeitslohn gegenüber ihrem Arbeitgeber haben. Diese Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig, da das Gericht wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen hat.
- Nach der zitierten Rechtsprechung des BAG hat jede mit dem Corona-Virus infizierte Person, unabhängig von Symptomen und einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gegenüber dem Arbeitgeber für bis zu sechs Wochen. Dieser Anspruch besteht auch dann, wenn ein berufliches Tätigkeitsverbot gemäß IfSG verhängt oder eine behördliche Absonderung angeordnet wurde.
Diese Rechtsprechung führt dazu, dass nunmehr die Mehrheit der noch offenen Anträge abgelehnt werden dürfte. Einige Betroffene haben bereits vor den Verwaltungsgerichten gegen ihre Antragsablehnung Klage eingereicht.
Um weitere Klagen zu vermeiden, werden seit Montag, 19.08.2024 alle Bescheide mit der Zusicherung versehen, dass die Verfahren von Amts wegen wieder aufgegriffen und neu entschieden werden, wenn sich künftig eine günstigere Rechtslage ergibt. Damit ist nach Mitteilung des MAGS eine Klageerhebung in jedem Einzelfall zur Offenhaltung der Verfahren im Falle einer Ablehnung entbehrlich. Die gleiche Handhabung gelte auch für bereits seit dem 18.07.2024 ergangene Ablehnungsbescheide.
Die Aufhebung von in der Vergangenheit bereits positiv beschiedenen Erstattungsbescheiden ist im Übrigen nicht ohne Weiteres möglich. § 48 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) sieht eine Rücknahme nur unter sehr engen Voraussetzungen vor, in denen kein schutzwürdiges Vertrauen der Empfänger besteht. Aktuell gibt es auch keine Anzeichen dafür, dass das Land NRW etwaige Rücknahmen initiieren wird.