Notfallplan Gas

Noch vor Kurzem war der Notfallplan Gas nur wenigen ein Begriff. Angesichts der seit dem 14. Juni gekürzten Gaslieferungen aus Russland und des weiterhin hohen Preiseniveaus am Gasmarkt hat die Bundesregierung jedoch nun bereits die zweite Alarmstufe ausgerufen. Aktuell sei die Versorgungssicherheit gewährleistet, die Lage aber angespannt, so das Bundeswirtschaftsministerium.

Der Notfallplan Gas bietet in den drei Krisenstufen einen Maßnahmenpool unterschiedlicher Eingriffstiefe. Die beiden ersten Stufen, die Frühwarn- und die Alarmstufe, setzen auf eigenverantwortliche Maßnahmen der zuständigen Marktakteure gemäß Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Konkretisiert wird der Notfallplan Gas durch den Leitfaden Krisenvorsorge Gas. Hier finden sich vor allem die prozessualen Abläufe und die damit verbunden Informationspflichten und Kommunikationswege für eine koordinierte Umsetzung der Maßnahmen.

Notfallplan Gas sorgt für Koordination der Gasversorgung

In der Frühwarn- und Alarmstufe geht es in erster Linie um die kontinuierliche Analyse und Bewertung der Versorgungslage durch ein Krisenteam. Darüber hinaus können die Netzbetreiber netz- und marktbezogene Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise die Optimierung von Lastflüssen oder die Kürzung beziehungsweise Unterbrechung auf Basis vertraglicher Ausgestaltungen (Abschaltkunden). Bei der Wahl der Maßnahmen sollen solche den Vorzug erhalten, die Umwelt und Wirtschaft am wenigsten belasten.

Vorrangige Versorgung geschützter Kunden

Einem besonderen Schutz bei den Maßnahmen des Notfallplans Gas unterliegen sogenannten geschützte Kunden, dazu gehören:

Letztverbraucher mit Standardlastprofilen
Letztverbraucher, die Haushaltskunden zum Zwecke der Wärmeversorgung beliefern,
grundlegende soziale Dienste (etwa Gesundheitsversorgung, Sicherheit, Bildung oder öffentliche Verwaltung)
Fernwärmeanlagen zur Versorgung der oben genannten Kunden, soweit sie keinen Brennstoffwechsel vornehmen können.
Sind Kürzungen von Letztverbrauchern nicht zu vermeiden, werden diese grundsätzlich in folgender Reihenfolge vorgenommen:

  1. nicht geschützte Kunden
  2. systemrelevante Gaskraftwerke
  3. geschützte Kunden.

Ergänzende Informationen zur Reihenfolge

Zunächst gehören alle Privathaushalte und gewerbliche Betriebe mit einem jährlichen Verbrauch von bis zu 1,5 Millionen Kilowattstunden im Jahr zu den geschützten Kunden (z.B. Bäckereien, Supermärkte). Betriebe mit einem höheren jährlichen Verbrauch müssen damit rechnen, dass sie zumindest rationiert werden. Das geschieht jedoch erst nach der Rationierung größerer Betriebe mit einem stündlichen Verbrauch von mehr als 10 Megawattstunden (z.B. Chemie, Metallverarbeitung, Stahl, Glas, Keramik, Papier, Lebensmittelindustrie). Davon gibt es deutschlandweit rund 2.500 Betriebe (zusammen vereinen diese Betriebe etwa 2/3 des industriellen Gasverbrauchs auf sich), die auf einer „Sicherheitsplattform Gas" registriert sind. Die Bundesnetzagentur hat „online" Zugang auf deren Verbräuche. Nach speziellen Kriterien (Versorgung der Bevölkerung, Lieferketten, Dauer des Herunterfahrens, Schäden an Anlagen etc.) kann die Netzagentur Vorgaben für den Verbrauch machen. Allen nicht geschützten Betrieben wird der Verbrauch mit pauschalen Sätzen gekürzt. Auch wird es ein Auktionsmodell geben, wo Unternehmen im Falle einer Gasmangellage Gebote abgeben können, zu welchem Preis sie ihren Verbrauch senken würden.

Diskriminierungsfreie Abschaltreihenfolge

Entsprechend sind also zunächst nicht geschützte Letztverbraucher zu kürzen. Obwohl der Notfallplan hier nicht differenziert, sieht der Leitfaden Krisenvorsorge Gas die Festlegung einer diskriminierungsfreien Abschaltreihenfolge für diese Letztverbraucher auf Basis verschiedener Kriterien vor. Dazu können unter anderem physikalische Gegebenheiten, Kapazitäten, Wirksamkeit und Folgen von Abschaltungen, die (Un)Möglichkeit eines Brennstoffwechsel oder Auswirkungen auf das öffentliche Leben durch die Abschaltung gehören. Frühwarn- und Alarmstufe werden durch das Bundeswirtschaftsministerium durch Pressemitteilung ausgerufen.

Notfallstufe: Bundesnetzagentur sichert die Deckung des lebenswichtigen Gas-Bedarfs

Die dritte Stufe ist die Notfallstufe. Sie eröffnet zusätzliche hoheitliche Instrumente: In der Notfallstufe übernimmt die Bundesnetzagentur die Rolle des Bundeslastverteilers und kann per Verfügungen sehr weitreichend in den Markt eingreifen, um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs zu sichern. Verbraucherseitig umfasst das unter anderem Vorgaben über Zuteilung, Bezug und Verwendung von Gas sowie den Ausschluss vom Gasbezug, etwa Anordnungen zu Reduktion des Gasverbrauchs, zur Abschaltung von Industriekunden, zur Substitution von Erdgas durch andere Energieträger und andere Maßnahmen. Die Notfallstufe wird durch Verordnung der Bundesregierung ausgerufen und per Pressemitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums bekanntgegeben.

Dabei müssen die Stufen nicht nacheinander ausgerufen werden. In Abhängigkeit von Schweregrad, Dringlichkeit und erforderlicher Maßnahmenart können auch sofort Alarm- und Notfallstufe festgestellt werden.

Informationen über Kürzungen der Gasversorgung

Soweit zeitlich möglich, sollten Öffentlichkeit beziehungsweise von Kürzungen voraussichtlich betroffene Netzkunden frühzeitig über bevorstehende Lastabschaltungen informiert werden. Über drohende Kürzungen informiert der Netzbetreiber seine Letztverbraucher mit registrierter Leistungsmessung (RLM) unverzüglich  – per Mail oder Telefax gilt als ausreichend.

Auch über tatsächliche Kürzungen werden RLM-Letztverbraucher informiert und erhalten eine Aufforderung, den Verbrauch in einem vorgegebenen Zeitfenster zu reduzieren. Im Falle einer erforderlichen Abschaltung von Letztverbrauchern mit Standardlastprofil erfolgt die Aufforderung zur Reduzierung des Verbrauchs über öffentliche Bekanntmachung, etwa über Radio, Zeitung oder Lautsprecher-Durchsagen.

Quelle: DIHK, IHK Ostthüringen zu Gera, FAZ, eigene Informationen