Die Lage der Wirtschaft im Rheinland ist im Herbst 2024 schlecht, und für die kommenden Monate sind keine Wachstumsimpulse zu erwarten. Erstmals seit Anfang 2021 melden mehr Unternehmen eine schlechte als eine gute Geschäftslage. Zwar sind die Erwartungen nicht mehr so pessimistisch wie zu Jahresbeginn. Doch das negative Gesamtbild deutet darauf hin, dass die Talsohle insgesamt noch nicht erreicht ist. Das sind wesentliche Ergebnisse des IHK-Konjunkturbarometers Rheinland für den Herbst 2024. An der Befragung haben sich rund 2.300 Betriebe beteiligt. Die Industrie- und Handelskammern Aachen, Düsseldorf, Bonn/Rhein-Sieg, Mittlerer Niederrhein sowie die Bergische IHK und die Niederrheinische IHK Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg erarbeiten diese Analyse regelmäßig. „Die schlechte Lage bei wenig Aussicht auf Aufschwung betrifft viele Branchen im Rheinland“, erklärt Dr. Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg, bei der Vorstellung des Konjunkturbarometers. „Die energieintensive Industrie leidet weiterhin unter den hohen Energiepreisen im internationalen Vergleich. Die Hersteller von Investitionsgütern spüren die schwache Investitionsbereitschaft und damit die geringe Nachfrage nach Maschinen und Anlagen. Der Wohnungsbau wird durch hohe Kreditzinsen ausgebremst, während die geringe Kaufneigung der Konsumenten für schlechte Stimmung im Einzelhandel sorgt.“
Lediglich 22,5 Prozent der Unternehmen berichten von einer guten Lage, während 29,5 Prozent die Situation als schlecht einstufen. Der Geschäftslageindikator liegt somit bei -7,0 Punkten und damit deutlich unter dem Wert von +1,1 Punkten zu Jahresbeginn. Auch für das kommende Jahr erwarten die Unternehmen keine Erholung: Nur 17,2 Prozent rechnen mit einer Verbesserung, während 27,3 Prozent eine weitere Verschlechterung erwarten.
Für den IHK-Hauptgeschäftsführer ist ein Großteil der Probleme hausgemacht. „Die kritische Lage derzeit ist auch darauf zurückzuführen, dass unsere Wirtschaft international teilweise nicht mehr wettbewerbsfähig ist, was immer deutlicher auch die Exportfähigkeit deutscher Produkte und Dienste beeinträchtigt“, so Dr. Hille. „In vergangenen Krisen war der Export oft der erste Impulsgeber, der die Konjunktur wieder in Gang brachte.“ Diesmal scheint dieser Effekt vorerst auszubleiben: Die Weltwirtschaft wächst nur mäßig, deutsche Produkte sind vergleichsweise teuer und andere Industrieländer haben technologisch aufgeholt. Nur 19 Prozent der Unternehmen erwarten steigende Exportgeschäfte, während 27 Prozent mit einem weiteren Rückgang rechnen. Zwei Jahre in Folge negative Exporterwartungen – das gab es im Konjunkturbarometer Rheinland bisher noch nicht. Entsprechend sehen 37,7 Prozent der Industriebetriebe die Entwicklung der Auslandsnachfrage als wesentliches Geschäftsrisiko an.
Noch schwerer wiegt jedoch die schwache Inlandsnachfrage. Fast 59 Prozent der Unternehmen betrachten sie als großes Risiko für ihre Geschäftsentwicklung. Dr. Hille kritisiert insbesondere die aktuelle Arbeit der Bundesregierung und stützt sich damit auch auf Daten der Unternehmensbefragung. Schließlich bewerten 56,4 Prozent der Unternehmen im Rheinland die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als erhebliches Konjunkturrisiko. „Damit ist die Politik ein so großes Wachstumshemmnis wie seit elf Jahren nicht. Die Betriebe beklagen die marode Infrastruktur, die hohen Energiekosten und die überbordende Bürokratie“, so Dr. Hille. „Die Bürokratieabbaugesetze, die für Entlastung der Betriebe sorgen sollen, werden häufig sogleich durch neue EU-Vorgaben wie die Nachhaltigkeitsberichterstattung konterkariert. Das untergräbt das Vertrauen in die Politik“, warnt Dr. Hille.
Hinzu kommt, dass die Arbeitskosten – durch hohe Tarifsteigerungen und drohende Anhebungen der Beitragsätze zu den Sozialversicherungen – die Unternehmen immer stärker belasten. „Besonders in der Metallindustrie betrachten mehr als zwei Drittel der Unternehmen die hohen Arbeitskosten als ernsthaftes Geschäftsrisiko“, so Dr. Hille.
Als Folge der angespannten Lage kürzen die Unternehmen Investitionspläne, und auch auf dem Arbeitsmarkt wird die Krise spürbar: Nur 13,5 Prozent der Betriebe möchten ihre Mitarbeiterzahl erhöhen, aber 21,2 Prozent senken. „Das führt noch nicht zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit, obwohl wir unter dem Strich mit Personalabbau rechnen müssen“, sagt Dr. Hille. „Trotz der geringeren Personalnachfrage bleibt der Fachkräftemangel weiterhin hoch. Viele Betriebe können ihre offenen Stellen teils monatelang nicht passend besetzen.“
Auf die Situation einiger, für das Rheinland besonders wichtiger Branchen ging Steinmetz bei der Vorstellung des Barometers detaillierter ein. In der Metall- und die Elektroindustrie, im Maschinen- und Fahrzeugbau, im produktionsorientierten Großhandel und in der Medien- und Kommunikationsbranche sei die Geschäftslage der Unternehmen besonders schlecht. In diesen Branchen lag der Geschäftslageindikator bei knapp minus 20 Punkten und schlechter. Doch es gibt bei der Branchenbetrachtung auch Positives. „Im Kredit- und Versicherungsgewerbe ist die Geschäftslage dank positiver Zinsen so gut wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Daneben meldet mit der IT-Wirtschaft eine weitere Branche sowohl eine positive Lage als auch positive Erwartungen“, so Dr. Hille.
Im produzierenden Gewerbe ist die Lage der Bauwirtschaft aufgrund der vielen Aufträge im Bereich des Tiefbaus in Summe noch positiv. Auch die Ernährungsindustrie und die Beratungsbranche haben noch eine positive Lagebeurteilung. Alle drei Branchen gehen aber davon aus, dass sich die Situation künftig verschlechtern wird. „Ich gehe davon aus, dass bei der kommenden Umfrage für unser Konjunkturbarometer Rheinland die Lage in diesen wichtigen Wirtschaftszweigen mehrheitlich auch negativ bewertet wird“, befürchtet Dr. Hille.